Freitag, Mai 08, 2009

dichtersindandereauchnicht...

...lautet der Obertitel des Osnabrücker Poetry Slams (passend dazu die URL dichtersindandereauchnicht), der alle 2 Monate in der Lagerhalle (einem Kulturzentrum in der Osnabrücker Altstadt) stattfindet, wo ich mit meiner lieben Mitbewohnerin schon immer mal hin wollte und es heute erstmalig geschafft habe - und garantiert nicht zum letzten Mal.

Ihr wisst nicht, was ein Poetry Slam ist?

Wikipedia beschreibt es unter anderem so: "Poetry Slam (deutsch: Dichterwettstreit) ist ein literarischer Vortragswettbewerb, in dem selbstgeschriebene Texte innerhalb einer bestimmten Zeit einem Publikum vorgetragen werden. Bewertet werden sowohl der Inhalt der Texte als auch die Art des Vortrags."

In Osnabrück läuft das dann so ab, dass jeder Poet eine Vortragszeit von 7 Minuten hat, in der er dem Publikum sein Werk näherbringen kann, wenn diese Zeit rum ist, ertönt automatisch eine Musik und der Dichter muss seinen Vortrag beenden, egal, ob er am Ende des Textes angekommen war oder nicht. Erwünscht ist alles, was ein selbstgeschriebener Text ist, egal, ob als Kurzgeschichte, Rap, Gedicht oder Märchen oder was einem sonst noch so einfallen könnte. Im Publikum werden 12 Bewertungsblöcke verteilt mit den Zahlen von 1 - 10, wobei 1 "für einen Text steht, der besser nie geschrieben worden wäre", wohin gegen die 10 die passende Bewertung wäre für einen Text, der einen in allerhöchste Begeisterung und darüber hinaus versetzt. Direkt nach dem Vortrag dürfen die "Juroren" ihres Amtes walten und zeigen, was sie dem gerade gehörten Text für eine Bewertung geben. Am Schluss gewinnt - tadaaaa - der, mit den höchsten Punkten. Zu gewinnen gab es in diesem Fall für den 3. Platz einen Verzehrgutschein der Location über 5 Euro, für den 2. Platz ein von den Moderatoren selbst ausgewähltes Buch und für Platz 1 einen schon ausgefüllten Lottoschein und eine Flasche Sekt.

Es war ein toller Abend, mit sehr vielfältigen Darbietungen, teils musikalisch untermalt, teils eher humorvoll, teils sehr ernst, teils gedichtet, teils getextet - in einer total schönen Atmosphäre mit super Publikum, die für alles offen waren, nichts niedergemacht haben, was präsentiert wurde, auch Verständnis hatten für einen, der seinen Vortrag nicht zu Ende führen konnte wegen Nervosität und den Abend, neben den Dichtern zu etwas Besonderem gemacht haben.

Manche Texte werden mir in Erinnerung bleiben, wie der, der von Benno, der eine WG mit einem Strichmännchen (Verzeihung, Strichmann - bei "männchen" wird der Strichmann ungehalten) hat, der sich widerum in eine Frau von einem Erotik-Poster verliebt hat, die mit Löwenmähne und nackten Brüsten an der Wand gegenüber wohnt und uns teilhaben lässt an seinem und des Strichmannes Gefühlsleben.

Auch in Erinnerung bleiben wird mir der so allein seiende Mensch, der nachts Domian hört, Weberknechte, Nachbarn und geschlossene Gesellschaft in sein Bett einlädt, sein Käsebrot verteidigt und Gesellschaftsspiele spielt.

All zu viel mag ich noch nicht verraten, da es die heutige Veranstaltung wohl auch im Internet zu sehen geben wird und ich den Podcast dann gerne verlinken würde - falls sich das dann jemand außer mir angucken mag, wäre es ja schade, wenn die ganze Spannung schon raus wäre.

Auch, dass der Freund, der Baum, jetzt tot ist, wird ein Platz in meinem Herzen bekommen.

Andere Texte waren definitiv nett und hörenswert und teilweise verdammt toll vorgetragen, aber dennoch nicht so eingänglich, verständlich oder so - aber ich habe definitiv totalen Respekt vor jedem, der sich auf diese Bühne wagt.

Das finde ich toll, dass es Kultur gibt, die man kostenlos genießen kann, in der Location an sich die Möglichkeit hat, etwas zu verzehren, aber in keinster Weise dazu gezwungen wird und die zudem noch so abwechslungsreich ist.

Wenn Ihr Interesse an so etwas habt, guckt einfach mal bei Dr. Google nach Poetry Slam und Eurer Stadt, wahrscheinlich werdet Ihr fündig! :)

Etwas ganz ähnliches bietet Osnabrück für Leute, die nicht nur die Dichtkunst, sondern auch Musik und mehr zu schätzen wissen oder die keine Lust auf den Wettbewerb-Charakter des Slams haben - die Kreativnacht im Lutherhaus mit Openstage - wo jeder auf die Bühne kann, der dem Publikum etwas präsentieren möchte, das kann ein Witz sein, ein kleines Konzert von ca. ner Viertelstunde Dauer, ein Märchen, ein Theaterstück - der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Erwünscht ist, dass es etwas eigenständiges ist, so dass keine Gema-Gebühren für den Veranstalter anfallen. Hier bin ich mit meiner Mitbewohnerin schon seit Monaten regelmäßig Gast und auch das genieße ich immer sehr.

Schön an Veranstaltungen dieser Art finde ich den offenen Charakter, das meist sehr wertschätzende und interessierte Publikum, dass man nicht zu lange mit einer Sache überladen wird, viel Neues kennenlernt und dass es sich jeder leisten kann, weil es letztendlich für umsonst ist. Man kann dort etwas trinken, muss es aber nicht, der Eintritt ist frei, man lernt Leute kennen und es ist einfach toll.

Das wollte ich gerade mal erzählen, weil ich so begeistert bin, dass es hier so Angebote gibt und ich auch noch eine liebe Freundin und Mitbewohnerin habe, die mit mir zu solchen Veranstaltungen geht.

Für heute beste Grüße und gute Nacht,
Melli